Spiegel: Eine Welt ohne Wurst
Vor einigen Wochen war fleischlose Ernährung ein großes Thema im Print-Spiegel (Der Spiegel 3/2011). Der achtseitige Artikel mit dem Titel „Eine Welt ohne Wurst“ ist mittlerweile auch als PDF verfügbar. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Vegetarismus, aber auch der Veganismus wird kurz vorgestellt.
Der Artikel stellt viele Fakten richtig dar, was umso erfreulicher ist, da der Spiegel ein Massenmedium mit enormer Reichweite ist. So wird zunächst sehr klar herausgestellt, dass die Ernährungsgewohnheiten der Industrienationen völlig in die falsche Richtung laufen und dass die Fleischproduktion fatale Folgen hat. Sehr schön wird beschrieben, dass die Verteidiger des Fleischessens nur zwei Argumente haben, die sie immer wieder hervorbringen um ihre Haltung zu verteidigen: das christliche Menschenbild, sowie ein ihnen, wie sie meinen, zustehendes Naturrecht.
Anschließend wird der Trend zum Vegetarismus besprochen. So wird das Essen von Fleisch in der Bevölkerung zunehmend moralisch hinterfragt. Dabei wird auch klargemacht, dass fleischlose Ernährung kein Verzicht bedeutet. Dazu werden Beispiele für Gerichte aus Speisekarten vegetarischer Restaurants zitiert. Um den Trend zur fleischfreien Ernährung zu untermauern, wird auf die großen Erfolge von kürzlich erschienenen Büchern hingewiesen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Es wird auf Jonathan Safran Foer’s „Tiere essen“ sowie auf Karen Duve’s „Anständig essen“ eingegangen.
In der Folge werden die verschiedenen Formen des Vegetarismus kurz angerissen. Ovo-Vegetarier, Lacto-Vegetarier, Ovo-Lacto-Vegetarier, Veganer, Frutarier und Rohköstler werden sehr kurz erklärt. Leider ist dies der Schwachpunkt des Artikels. Die Beschreibung der Veganer ist zwar im Grunde korrekt, doch die Wortwahl ist eindeutig negativ besetzt (z.B. „Veganer nehmen sich heraus…“, „…, so die Logik der Veganer…“). Der negative Höhepunkt des Artikels ist die Erläuterung der Motive der Rohköstler. Hier hätte die Meinung des Autors nicht so deutlich mit einfließen dürfen („… verbreiten allen Ernstes die Überzeugung…“)! Ihnen wird sogar Größenwahn vorgeworfen!
Im besten Teil des Artikels wird mit Beispielen bildlich beschrieben, was in der Massentierhaltung für Grausamkeiten passieren. Dort wird auch starke Kritik am deutschen Tierschutzgesetz geübt, welches viele von diesen Grausamkeiten legitimiert.
„Und man kann erfahren, was das deutsche Tierschutzgesetz Zwei- und Vierbeinern zumutet: Ferkeln dürfen kurz nach der Geburt ohne Betäubung die Schwänze kupiert und die Eckzähne abgeschliffen werden. Rindern, Schafen und Ziegen werden, ebenfalls ohne Betäubung, die Hoden herausgerissen, damit ihr Fleisch besser schmeckt. Das Gesetz verlangt nur, dass die Tiere jünger als vier Wochen sind.“
Im Anschluss daran werden Fleischesser daran erinnert, dass sie ganz klar Nutznießer dieser Grausamkeiten sind!
Danach wird, wie schon viel zu oft geschehen, mal wieder das Bild des typischen Vegetariers gezeichnet. Dieser ist bekanntlich weiblich, jung, gut gebildet und lebt in einer Großstadt. Interessant ist aber der Fakt, dass erstmals in der Geschichte in den unteren Schichten mehr Fleisch gegessen wird als in den oberen.
Als nächstes wird der Widerspruch im Verhältnis zwischen Mensch und Tier beschrieben: Haustiere werden geliebt und sogar als Familienmitglieder gesehen, während Nutztiere grausam gequält, getötet und anschließend verzehrt werden. Das Ausmaß des Fleischkonsums wird anhand der Anzahl der einzelnen getöteten Tierarten des Jahres 2009 beziffert.
Auch auf die weiteren Gründe, auf Fleisch zu verzichten wird eingegangen: Die zerstörende Wirkung der Fleischproduktion aufs Klima sowie die gesundheitlichen Gründe. Hier besteht (mit Studien belegt!) bei Fleischessern ein höheres Krebsrisiko als bei Menschen, die auf Fleisch verzichten. Experten haben eine Menge an Fleisch geschätzt, deren Verzehr pro Jahr für einem Menschen unschädlich sein soll. Deutsche essen davon derzeit das dreifache! Zu viel Fleischgenuss hat eine Reihe negativer Auswirkungen: Durch seinen hohen Energiegehalt macht viel Fleisch dick. In Verbindung mit der zugrundeliegenden Bewegungsarmut vieler Menschen steigt das Risiko auf Krebs, Bluthochdruck, Schlaganfall, Diabetes und Herzkrankheiten. Außerdem gehen Menschen, die auf Fleisch verzichten, auch ansonsten nicht so sorglos mit ihrer Gesundheit um. So rauchen sie im allgemeinen weniger und trinken weniger Alkohol.
Die fleischfreie Ernährung erhält eine stark steigende Unterstützung durch Prominente. Hier ein paar Zitate diesbezüglich aus dem Artikel:
„Viele Fleischverächter hatten ein Schlüsselerlebnis, das sie zum Vegetarier werden ließ. Ex-Beatle Paul McCartney erzählte Journalisten, ihm sei beim Angeln bewusst geworden, dass er einen Fisch nur zu seinem Vergnügen töten wollte: ‚Als ich den Fisch nach Luft japsen sah, begriff ich, dass sein Leben für ihn genauso viel Bedeutung hat wie meins für mich.‘ Daraufhin wurde er Vegetarier. Man dürfe ’nichts essen, was ein Gesicht hat‘, findet er.“
„Der Vegetarier Albert Einstein sah einen größeren Zusammenhang. Nichts werde ‚die Chancen für ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zu einer vegetarischen Ernährung‘. Und Wilhelm Busch fand, es werde ‚wahre menschliche Kultur‘ erst geben, ‚wenn nicht nur die Menschenfresserei, sondern jede Art des Fleischgenusses als Kannibalismus gilt‘.“
Außerdem befindet sich im Artikel ein sehr interessantes Interview mit dem Tierrechtler Helmut F. Kaplan.
Den Abschluss des Artikels bildet die Frage, wie Menschen dazu bewegt werden können, weniger bzw. gar kein Fleisch mehr zu essen. Der Vegetarierbund (VeBu) schlägt zum Beispiel vor, die Mehrwertsteuer von Fleisch auf 19% zu erhöhen um der Massenware Billigfleisch Einhalt zu gebieten.
Diesen Vorschlag unterstütze ich. Außerdem bin ich der Meinung, dass auf Milchprodukte der gleiche Mehrwertsteuersatz erhoben werden muss wie auf Soja- oder Hafermilchprodukte! Es kann nicht sein, dass vielen Verbrauchern schon über die Preise nahegelegt wird, was sie zu kaufen habe und grausame Industrien so immer weiter unterstützt werden!
Bis auf die oben angeführten Schwächen handelt es sich um einen absolut empfehlenswerten Artikel des Spiegels. Der Fleischverzicht scheint immer massenkompatibler zu werden, ein Massenmedium nach dem anderen fährt mit einem Bericht zu diesem wichtigen Thema auf. Ich hoffe, dass sich dieser Trend fortsetzt, und möglichst viele Menschen über die grausamen Fakten der verschiedenen Tierindustrien aufgeklärt werden!
Hier noch zwei Zitate aus dem Artikel:
„Und selbst beim Fußballpublikum haben die Vegetarier Pflöcke eingeschlagen: Im Stadion des Bundesliga-Aufsteigers FC St. Pauli tunken manche Fans vegetarische Buletten in den Senf.“
„Die traditionell bauernnahe CDU hält es für ‚falsch, Verzehrempfehlungen zu geben, die zu einer Verringerung der Fleischproduktion in Deutschland führen sollen‘.“
6 Comments
Leave a comment
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
Archive
- November 2011 (2)
- Oktober 2011 (9)
- Februar 2011 (5)
- Januar 2011 (3)
- Dezember 2010 (4)
- November 2010 (2)
- Oktober 2010 (18)
- September 2010 (5)
- August 2010 (10)
- Juli 2010 (22)
- März 2010 (1)
- Februar 2010 (5)
Ich habe dir grade eben für deinen wundervollen Blog einen Award verliehen.
Du findest ihn hier:
http://tisigoesvegan.blogspot.com/2011/02/mein-erster-blog-award.html
Wow, vielen Dank! Ich freue mich sehr über die positive Rückmeldung. Das motiviert, weiterzumachen!
gute Zusammenfassung! mich stört nur, dass Frutarier und Rohköstler als Unterformen des Vegetarismus bezeichnet werden – das hat doch damit überhaupt nix zu tun! das sind zwei Philosophien, die mit der des Vegetarismus rein gar nichts zu tun haben, und in dem wiki-artikel werden die auch gar nicht genannt.
Du hast Recht, da habe ich die falsche Wortwahl gewählt. Es ist eigentlich so gemeint, dass der Vegetarismus der Grundkonsens bei all den genannten Formen ist. So stehts auch im Spiegel-Artikel. Wobei auch das bei Rohköstlern nicht unbedingt stimmen muss.
ich finde es passt trotzdem nicht so recht, nur weil Frutarier und (vegane) Rohköstler auch keine Tierprodukte konsumieren, sind das keine Unterformen des Vegetarismus. Sonst wären auch die Kohlsuppendiät oder Saftfasten Unterformen. Und gerade Rohköstler sind das eher aus gesundheitlichen Gründen und rohes Fleisch ist ja per Definition auch nicht ausgeschlossen.
Ist ein bischen Korinthenkackerei, aber bei mir rollen sich immer die Fußnägel hoch, wenn so Begriffe für alles und jeden herhalten müssen ;-)
Die Rohköstler passen da garnicht rein, da stimme ich zu. Ansonsten kann man denke ich schon sagen, dass der kleinste gemeinsame Nenner der Vegetarismus ist. Das ist halt nur auf die Ernährung bezogen. Natürlich ist bei Veganern und Frutariern noch ein ganzer Lebensstil dahinter. Das Beispiel mit der Diät oder dem Fasten finde ich da nicht so passend, weil das ja nur temporäre Ernährungsgewohnheiten sind.